30.03.2005 / Ausland / Seite 7

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Türkische Armee startet »Frühjahrsoffensive«

Gefechte im kurdischen Südosten der Türkei. »Lebende Schutzschilde« gegen Militärgewalt

Nick Brauns, Istanbul

Während die türkische Regierung und nationalistische Organisationen auch am Dienstag landesweit mit Fahnenmärschen den antikurdischen Chauvinismus anheizten, begann die türkische Armee in den kurdischen Landesteilen ihre Frühjahrsoffensive gegen die kurdische Guerilla. Umfangreiche Militäroperationen wurden unter anderem vom Gabar-Berg in Mardin sowie am Cudi-Berg bei Sirnak gemeldet. Laut Aussagen der Guerilla handelt es sich um die umfassendste Operation der vergangenen Jahre. Auch Cobra-Kampfhubschrauber seien daran beteiligt.

Tausende Menschen fanden sich am Wochenende zur Beerdigung zweier in der Provinz Mardin gefallener Guerillakämpfer ein. Bei den Kämpfen war auch ein zehnjähriges Mädchen zwischen die Fronten geraten und lebensgefährlich verletzt worden. Sechs Soldaten starben in der Provinz Sirnak, als ihr gepanzertes Fahrzeug von einem Sprengsatz zerstört wurde. Derweil führte die Guerilla am Wochenende eine Sabotageaktion an einer Ölpipeline zwischen Idil und Midyat durch. Es entstand großer Sachschaden

Als Reaktion auf die Kämpfe sind aus Adana und Iskenderum sogenannte lebende Schutzschilde in die Kampfgebiete aufgebrochen. Aktivist Mehmet Arslan erklärte: »Wir werden auch angesichts der jüngsten chauvinistischen Angriffe weiter zur Geschwisterlichkeit der Völker aufrufen. Deshalb werden wir in die Gebiete fahren, in denen Militäroperationen stattfinden und uns der Gewalt entgegenstellen.« Unter den »Schutzschilden« befinden sich auch Frauen, deren Söhne und Töchter sich der Guerilla angeschlossen haben.

Die Militäroperationen seien eine Fortsetzung der Dorfzerstörungen und Vertreibungen der neunziger Jahre, erklärte Schutzschildorganisator Umut Zafer von der Demokratiepartei des Volkes (DEHAP) in Siirt gegenüber junge Welt. Zwar sei es das Hauptziel, die Guerilla aufzureiben, doch gleichzeitig würden Soldaten beim Durchkämmen der Gegend gezielt die landwirtschaftliche Arbeit verhindern. Felder würden angezündet, Brunnen und Quellen vergiftet. Bei Dorfdurchsuchungen würden Stallanlagen zerstört. An diesen Aktionen sind auch die vom Staat ausgerüsteten Dorfschützermilizen beteiligt. Aus Angst vor weiterer Repression brächten die Betroffenen die Vorfälle kaum zur Anzeige.