Rote Helferinnen

Eine Doppelbiographie über zwei "mutige Frauen zwischen Küche, Mutterkreuz und Roter Hilfe

"Polizeiterror gegen Kind und Kunst" war der Titel einer 1927 von der Roten Hilfe Deutschlands veröffentlichten Broschüre über die Versuche der preußischen Behörden, den Barkenhoff in Worpswede als Kindererholungsheim der Roten Hilfe zu schließen. Herausgeberin der Broschüre war die "Regierungsrätin a.D." des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt Meta Kraus-Fessel.

In einer sehr persönlichen Doppelbiographie mit dem Titel "Gelebte Emanzipatin" hat die Publizistin Inge Helm jetzt das Leben ihrer "roten Oma" Hedwig Clara Schiemann und deren bester Freundin Meta Kraus-Fessel aufgearbeitet. Die Lehrertochter Hedwig und die Gutsbesitzerstochter Meta sympatisierten bereits während ihrer Jugend in den 1890er Jahren auf einem Rittergut Masuren mit der Sozialdemokratischen Partei, der sie nach Schulabschluss um die Jahrhundertwende auch beitraten. Nach dem ersten Weltkrieg wechselten die beiden Frauen aufgrund der Kriegsunterstützung durch die SPD in die neugegründete Kommunistische Partei. Während Meta schnell wieder ihren Mann verließ, um sich in Berlin der Politik und sozialwissenschaftlicher Studien zu widmen, wurde Hedwig ersteinmal zur Hausfrau und Mutter in Köln.

Meta gehörte zu den Mitbegründerinnen der Roten Hilfe in Deutschland, während ihrer Freundin ein solches Engagement von ihrem autoritären Mann untersagt wurde. Dies hinderte Hedwig freilich nicht daran, zusammen mit Gleichgesinnten bei klandestinen "Opernabenden" mit laut aufgedrehtem Grammophon Hilfe für politische Flüchtlinge zu organisieren. Als Hedwig nach dem Tod ihres Mannes 1930 ihre Freundin in Berlin besuchte, lernte sie über Meta die Liebe ihres Lebens kennen: den Anarchisten Erich Mühsam, mitdem sie eine heftige Affäre hatte. Doch der Faschismus rückte näher und Mühsam beschloss, sich wieder voll der Politik und seiner Frau Zenzl zu widmen.

Meta, die aufgrund der Stalin-hörigen Politik der KPD seit Ende der 20er Jahre in anarchistischen Kreisen verkehrte, startete in Exil eine Rettungsaktion für den in Wien lebenden anarchistischen Historiker Max Nettlau und dessen Bibliothek und kümmerte sich nach der Ermordung von Erich Mühsam im KZ Oranienburg 1934 um Zenzl.

Inge Helm hat interessante Details über das Entstehen von Erichs Witwe Zenzl veröffentlichten Broschüre "Der Leidensweg Erich Mühsam" herausgefunden. So wurde die Broschüre im Wesentlichen von Meta verfasst. Gegen den Willen von Meta, die eine Instrumentalisierung des toten Anarchisten durch die Stalin-treue Kommunistische Internationale befürchtete, ging Zenzl auf das Angebot der Vorsitzenden der Internationalen Roten Hilfe IRH, Jelena Stassowa ein, die Broschüre durch die IRH erscheinen zu lassen. Die in vier Weltsprachen veröffentlichte Broschüre fand so tatsächlich weite Verbreitung, doch für Zenzl wurde die Sowjetunion eine Falle. Jelena Stassowa wurde im Rahmen der Stalinschen Säuberungen ihres Amtes enthoben und die Zenzl Mühsam in langjähriger Verbannung festgehalten.

Meta beging aufgrund einer unheilbaren Krankheit 1940 Selbstmord in New York. Die "rote Oma" Hedwig wies das ihr angetragene Mutterkreuz zurück und konnte durch Glück den Faschisten entkommen. Sie blieb bis zum Verbot der KPD durch die Adenauerregierung 1956 politisch aktiv.

Leider schreibt Inge Helm nichts über Meta Kraus-Fessels Engagement auf wissenschaftlichem Gebiet, gegen repressive Fürsorgemaßnahmen wie zwangsweise Heimeinweisungen im Ministerium für Volkswohlfahrt und als Aktivistin der Sexualreformbewegung.

"Gelebte Emanzipation" bringt das Leben zweier engagierter Roter Helferinnen und Sozialistinnen im Plauderton näher – so, als würde die "rote Großmutter" beim Tee aus ihrem Leben erzählen.

Das im Frühjahr 2008 im Karin Kramer Verlag erschienene Buch enthält Photos, Dokumente der Roten Hilfe sowie Briefen von Meta Kraus-Fessel und Zensl Mühsam. Es sollte auf keinem Büchertisch der Roten Hilfe fehlen.

Nick Brauns

Inge Helm: Gelebte Emanzipation – Mutige Frauen zwischen Küche, Mutterkreuz und "Roter Hilfe"; Karin Kramer Verlag Berlin 2008, 128 S. Broschur, 14,80 Euro.