Junge Welt Wochenendbeilage 29.05.2004
Am 31. Mai 1924 beschloß die KPD-Zentrale die
Gründung des Roten Frontkämpferbundes
Am 11. Mai 1924 hatten völkische Wehrverbände zu einem »Deutschen Tag« nach Halle mobilisiert. Als Kommunisten versuchten, den Aufmarsch zu stören, eröffnete die Polizei das Feuer. Acht Tote und 16 Schwerverletzte blieben auf dem Platz.
Der Hallenser Blutsonntag diente bei einer Sitzung der KPD-Zentrale am 31. Mai
als Begründung für die Notwendigkeit eines eigenen proletarischen
Wehrverbandes. Ziel war nicht ein illegaler bewaffneter Verband, sondern eine
Massenorganisation zur antimilitaristischen Agitation und zum Schutz der
Arbeiterbewegung gegen Überfälle von Polizei und Rechtsextremen. Auch sollte
verhindert werden, daß kriegserfahrene Arbeiter sich dem sozialdemokratisch
geführten Reichsbanner anschlossen.
»Revolutionäre aber dürften sich nicht uniformieren, sie müßten alles
vermeiden, was nach Nachahmung des Militarismus aussehen könnte«, warnte der
Leiter des KPD-Nachrichtendienstes Erich Wollenberg. »Wir müssen im Sinne
Liebknechts den Kampf gegen jede Art von Militarismus weiterführen.« Doch Ernst
Thälmann versprach sich von einer Uniformierung einen günstigen Einfluß auf die
Disziplin der Mitglieder. Hugo Eberlein schlug vor, der Organisation zu Ehren
der Gefallenen von Halle den Namen Roter Frontkämpferbund (RFB) zu geben. So
hießen die 1923 verbotenen Proletarischen Hundertschaften in Halle. Der Bund
stellte sich »die Pflege des Klassenbewußtseins und die Pflege der
Kriegserinnerungen zum Zwecke der Abwehr nationalistisch-militärischer
Propaganda für neue imperialistische Kriege« sowie die »Aufklärung über die
Methoden und den Klassencharakter imperialistischer Kriege« zur Aufgabe. Die 1.
Reichskonferenz wählte Ernst Thälmann zum Vorsitzenden und Willi Leow zu seinem
Stellvertreter.
Die erste RFB-Gruppe entstand im Juli 1924 im thüringischen Hildburghausen. In
pathetischen Worten schworen die Roten Frontkämpfer den Fahneneid: »Wir
klassenbewußte Proletarier schwören: alle unsere Kräfte einzusetzen im Kampf um
die Befreiung aller Werktätigen von kapitalistischer Ausbeutung, Unterdrückung
und Verfolgung. [...] Sieg oder Tod ein heiliger Schwur. Wir leben oder sterben
für dich du rote Fahne der Proletarier-Diktatur.« Über 100.000 Mitglieder
schlossen sich reichsweit dem RFB an. 16- bis 21jährige wurden in der Roten
Jungfront organisiert, Frauen marschierten mit roten Kopftüchern im Roten
Frauen- und Mädchenbund. Zur Erinnerung an die Rolle der Matrosen während der
Novemberrevolution wurde eine Rote Marine gebildet.
An Roten Tagen marschierten die mit feldgrauen Windjacken uniformierten
Rotfrontkämpfer begleitet von Schalmeienkapellen in militärischer Ordnung auf.
An Landsonntagen wurde nach Platzkonzerten die Landbevölkerung agitiert. Immer
wieder versuchten Rotfrontkämpfer, rechtsextreme Aufmärsche zu verhindern. Zu
diesem Zweck wurde auch schon mal Rizinusöl in die Gulaschkanonen des Stahlhelmbundes
gemischt.
Die Barrikadenkämpfe während des Berliner Blutmai von 1929, als nach dem Verbot
des traditionellen Maiaufzuges 32 Arbeiter von der Polizei erschossen wurden,
dienten der sozialdemokratischen Regierung als Vorwand für das Verbot des RFB.
Immer wieder nahm die Polizei Kommunisten fest, die durch Gürtelkoppel ihre
Zugehörigkeit zum RFB zeigten.
Der illegale RFB sollte laut einem Beschluß des ZK der KPD »Kader zur Schaffung
einer Armee [...] zur Verteidigung der Sowjetunion auch als Teil der Roten
Armee« bilden. Zu diesem Zweck wurden Wehrsportübungen mit Geländeläufen,
Jiu-Jitsu, Landkartenlesen und Morsen veranstaltet. Schießtraining fand in
abgelegenen Waldstücken statt, die Roten Frontkämpfer wurden zum Eintritt in
Sportschützenvereine ermutigt. Rund die Hälfte der Mitglieder blieb in der
Illegalität ihrer Organisation treu. Der Wegfall von Uniformen und Schalmeien
wurde ausgeglichen durch das Bewußtsein, »einer illegalen Kampforganisation
anzugehören, die absolut unbürokratisch ist, in der die Mitglieder geheim im
Waffenhandwerk ausgebildet wurden, militante Aktionen gegen Nazis unternahmen«,
erklärte Erich Wollenberg als Leiter des illegalen RFB dessen Attraktivität.
Dem deutschen Faschismus konnte der RFB 1933 wenig entgegensetzen. Eine Reihe
ideologisch nicht gefestigter Mitglieder wechselte sogar zur SA über. Jetzt
bewahrheitete sich eine Warnung der ehemaligen KPD-Vorsitzenden Ruth Fischer.
1925 hatte sie die leidenschaftliche Begeisterung vieler Genossen für die
Demonstrationen des Roten Frontkämpferbundes kritisiert, »weil sie sich damit
vorspiegeln, daß sie an der Eroberung der Macht stehen, daß sie damit spielen
können, Revolution zu machen ... um die tägliche Arbeit in den Gewerkschaften
und in den Betrieben nicht machen zu müssen.«
Führende Rotfrontkämpfer wie der Hamburger Etkar André wurden von den
Faschisten ermordet, andere kämpften wie Richard Staimer aus Bayern in den
Reihen der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg oder traten der
Sowjetarmee bei. Das militärische Auftreten des Roten Frontkämpferbundes hat
das Bild der deutschen kommunistischen Bewegung nachhaltig geprägt. Die
geballte Faust und der Gruß »Rot Front« wurden über die deutschen Grenzen
hinweg populär und haben sich bis heute in der radikalen Arbeiterbewegung
gehalten.
Nick Brauns