Gerechtigkeit für Max Hoelz

Vor 85 Jahren wurde der „Kesselheizer der Revolution“ zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Eine große Kampagne der Roten Hilfe führte schließlich zu seiner Freilassung

 

„Wenn Sie heute über mich Ihr Urteil fällen, so betrachte ich es als ein Schulexamen. ... Ihr Urteil, wie es auch ausfallen wird. wird ein Klassenurteil sein. Sie können mich zu 10, 15 Jahren oder zu lebenslänglichem Zuchthaus, ja, zum Tode verurteilen. Zehn Jahre Zuchthaus bedeuten für mich eine 4, mangelhaft, 15 Jahre Zuchthaus eine gute Note, lebenslänglich Zuchthaus Zensur l, wenn Sie mich aber zum Tode verurteilen, dann erhalte ich Zensur la, das ist das beste Zeugnis, das Sie mir ausstellen können. Dann beweisen Sie den revolutionären Klassen der Welt, daß ein wirklicher Revolutionär gelebt und sein Klassenbewußtsein mit dem Tod besiegelt hat. Ich bin ein Kämpfer, ich bin ein Mann der Tat: "Das Wort kann uns nicht retten. Das Wort bricht keine Ketten. Die Tat allein macht frei".

 

Max Hoelz in seiner „Anklagerede gegen die bürgerliche Gesellschaft“, gehalten vor dem Moabiter Sondergericht am 22.Juni 1921 in Berlin

 

Ein deutscher Robin Hood

 

Seine Feinde nannten ihn einen Räuberhauptmann oder den Diktator des Vogtlandes. Für seine Genossen war er ein „deutscher Tschapajew“ oder „Robin Hood“. Eine Legende ist Max Hoelz bis heute geblieben. Der 1889 bei Riesa geborene Sohn armer Landarbeiter war durch die Erfahrung des Weltkrieges politisiert worden. In der Novemberrevolution beteiligte er sich führend an der Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates in Falkenstein. Als Vorsitzender des Falkensteiner Arbeitslosenrates organisierte Hoelz 1919 „Expropriationen“ bei reichen Bürgern, um das Geld an die hungernden Arbeiter zu verteilen. Steckbrieflich gesucht zog er anschließend als Agitator durch Deutschland. 1920 leitete Hoelz in Falkenstein und Umgebung den Widerstand gegen den monarchistischen Kapp-Putsch. Er gehörte nun zu den Sympathisanten der linksradikalen Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands.

 

Während des Aufstandes der Mansfelder Arbeiter gegen den provokativen Einmarsch der Schutzpolizei in das mitteldeutsche Industrierevier im März 1921 führte Max Hoelz eine Guerilla aus mehreren Hundert bewaffneten Arbeitern an. Zur Einschüchterung der Bourgeoisie ließ Hoelz einige Villen räumen und jagte sie in die Luft. Während die KPD diese Propaganda der Tat als Anarchismus verurteilte, hatte der „Zündelmax“ durch diese Aktionen bald einen solchen Bekanntheitsgrand, daß die bloße Nennung seines Namens genügte, um gewaltfreie Requirierungen vorzunehmen. Mit selbstgebauten Handgranaten und einem improvisierten Panzerzug konnten die Beschäftigten der Leunawerke die vorrückenden Polizeieinheiten eine Zeit lang abwehren. Da die Aufständischen reichsweit isoliert blieben, gelang es 17.000 Polizisten unter Einsatz von Artillerie, den Aufstand bis zum 3.April niederzuschlagen und das Leunawerk einzunehmen. Von 145 während der Märzkämpfe getöteten Arbeitern waren die meisten nicht im Gefecht gefallen, sondern wurden danach unbewaffnet von der Polizei ermordet. Rund 3470 Arbeiter, darunter viele Frauen und Jugendliche, wurden verhaftet. Reichweit wurden Sondergerichte geschaffen. Nach einer Statistik des Reichsjustizministeriums wurden die folgenden Strafen im Zusammenhang mit den Märzkämpfen verhängt: fünf Mal lebenslängliches Zuchthaus, 451 befristete Zuchthausstrafen zwischen zwei und fünf Jahren, 2752 Gefängnisstrafen von ein bis zwei Jahren, 48 mal Festungshaft und 96 Geldstrafen.

 

Die Geburtsstunde der Roten Hilfe

 

Angesichts der massiven Repression und des materiellen Elends der Familien der politischen Gefangenen und Flüchtigen rief der KPD-Politiker Wilhelm Pieck am 12. April 1921 in der Parteizeitung „Rote Fahne“ zur Solidarität mit den Verfolgten auf. „Die Familien der Gefangenen und Verwundeten gilt es zu unterstützen. Den Eingekerkerten müssen die Tage der Freiheitsberaubung erleichtert werden durch unser Hilfswerk. Rechtsschutz müssen wir denen bringen, die man noch vor die Gerichte schleifen wird. Um dieses Werk proletarischer Solidarität vollbringen zu können, hat sich aus den Kreisen der Arbeiterschaft die `Rote Hilfe´ gebildet. ... Arbeiter, Klassengenossen! Organisiert sofort Geld- und Lebensmittelsammlungen. Kein Lohntag darf vorübergehen, wo nicht jeder Arbeiter seinen Beitrag zur Unterstützung der Opfer leistet. In allen Versammlungen und in den Wohnungen der Arbeiter muß gesammelt werden für die Opfer des proletarischen Befreiungskampfes. Es lebe der revolutionäre Kampf des Proletariats! Es lebe die revolutionäre Solidarität!“ Das war die Geburtsstunde der Roten Hilfe.

 

Anklagerede gegen die bürgerliche Gesellschaft

 

Im April 1921 gelang es der Polizei, auch den untergetauchten Max Hoelz aufzuspüren. Die Justiz wollte an ihm ein Exempel statuieren und ihn als „gewöhnlichen Verbrecher“ aburteilen. Mit einem hohen Preisgeld sollten Belastungszeugen angelockt werden. „MAX HOELZ festgenommen. 50.000 Mark Belohung“  verkündeten Plakate, die der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Richter kleben ließ. „Der Bandenführer Max Hoelz ist festgenommen. Zahlreich sind die Straftaten, die auf seinem Schuldkonto stehen. [...] Es gilt jetzt, ein lückenloses Bild von dem gemeingefährlichen, volksverderbenden Treiben des Hoelz zu erhalten, damit alle Straftaten, denen Hoelz sich schuldig gemacht hat, die gebührende Sühne vor dem Strafrichter finden. Für aufklärende Mitteilungen, die zu einer Verurteilung des Hoelz führen, setze ich die obige Belohung aus.“

 

Die Rote Hilfe hatte Hoelz zu seiner Verteidigung Justizrat James Broh, Rechtsanwalt Ernst Hegewisch und Justizrat Victor Fränkel zur Verfügung gestellt. Neben Hochverrat wurde Hoelz während des vom 13. bis 22. Juni dauernden Prozesses vor dem Moabiter Sondergericht in Berlin auch der Totschlag an dem Rittergutsbesitzer Heß bei einem Raubüberfall angelastet. “Ich erkenne die Ausführungen des Staatsanwalts, ich erkenne das Urteil des Gerichts nicht an. Für mich handelt es sich darum, vor der Arbeiterschaft klarzustellen, aus welchen Beweggründen ich gehandelt habe. Ich vertrete meine Handlungen mit dem Mute, den jeder revolutionäre Kämpfer haben muß. Und wenn ich einen Mann aus revolutionärer Notwendigkeit erschossen oder den Befehl dazu gegeben hätte, so würde ich es sagen.“, erklärte Hoelz. Die Erschießung des Heß bestritt er dagegen. Mehrere Zeugen bestätigten, daß sich Hoelz zum Zeitpunkt der Tat nicht im Hause des Heß befand. „Die mutigste Rede vor einem deutschen Gericht“, wie es Kurt Tucholsky nannte, wurde unter dem Titel „Anklagerede gegen die bürgerliche Gesellschaft“ veröffentlicht. Illusionslos rechnete Hoelz mit der Doppelmoral der bürgerlichen Klassenjustiz ab: „Ich kann von Ihnen keine bürgerlichen Ehren verlangen. Sie können mir auch keine bürgerliche Ehre absprechen. Die bürgerliche Ehre, um die Sie sich streiten, habe ich nie besessen. Bürgerliche Ehre heißt für mich die Kunst, von der Arbeit anderer zu leben. Sie bedeutet Monokel im Auge, voller Bauch und hohler Kopf. Für mich gibt es nur eine proletarische Ehre, und die wollen Sie mir und können Sie mir nicht absprechen. Proletarische Ehre heißt Solidarität aller Ausgebeuteten, heißt Nächstenliebe, heißt, durch die Tat beweisen, daß man seinen Nächsten liebt wie seinen Bruder. Die Welt ist unser Vaterland und alle Menschen Brüder.“

 

Aufgrund offensichtlich falscher Zeugenaussagen verurteilte das Gericht Max Hoelz  zu lebenslänglicher Zuchthaushaft einschließlich Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Nun begann die siebenjährige Odyssee durch die Zuchthäuser der Weimarer Republik und zugleich ein beispielloser Kampf für die Freiheit des legendären revolutionären Kämpfers.

 

Befreiungsversuche

 

Mit gefälschten Ausweisen, die noch Noskes Unterschrift trugen und Plaketten der Kriminalpolizei getarnt, versuchten Mitglieder des KPD-Ordnerdienstes, Hoelz aus dem Gefängnis zu befreien. Sie gelangten tatsächlich unerkannt bis zur Zelle des Hoelz. Die Befreiung scheiterte allerdings am Widerstand von Hoelz, der die Situation mißverstand, sich an die Gittertür krallte und rief: „Ich bin Hoelz, man will mich auf der Flucht erschießen!“ Am 17. April 1923 meldete die Rote Fahne: „Max Hoelz Spitzenkandidat der Kommunistischen Reichswahlliste.“ Doch auch der Versuch, Hoelz mittels Wahl aus dem Zuchthaus zu holen, scheiterte, da es der sozialdemokratische Reichspräsident Ebert ablehnte, dem Gefangenen seine bürgerlichen Ehrenrechte zurückzugeben.

 

Im Münsteraner Gefängnis wurden Hoelz systematisch alle Verständigungsmittel und Beziehungen zur Außenwelt genommen. Um den Kontakt nicht abreißen zu lassen, arrangierte die Rote Hilfe eine Scheinehe für Hoelz „Nach der endgültigen Trennung von Klara, meiner Frau, suchte ich fieberhaft durch Vermittlung von Parteifreunden und den zentralen Parteistellen eine zuverlässige Genossin zu finden, die bereit war, mit mir eine Zweckehe einzugehen. Sie sollte die gesetzlich gegebene Möglichkeit ausnutzen, mich als meine Frau in bestimmten Zwischenräumen zu besuchen und so eine regelmäßige und sichere Verbindung zwischen mir und der Außenwelt herstellen“, schrieb Hoelz in seiner Autobiographie. Traute Loebinger, Redaktionsassistentin einer kommunistischen Zeitung, erklärte sich bereit, diese delikate Aufgabe zu übernehmen.  Während einige Hundert Arbeiter vor dem Zuchthaus Kletschkau in Breslau für die Freiheit von Hoelz demonstrieren, heiratete dieser in einer viertelstündigen Zeremonie im Beisein zweier Rechtsanwälte, des Zuchthausdirektors, des Lehrers, einer Reihe von Aufsehern sowie zweier KPD-Politiker als Trauzeugen Traute Loebinger. „Genossin Traute, nunmehr vor dem Gesetz meine Frau, entwickelte eine bewundernswerte Aktivität. Sie sprach als Genossin Hoelz im ganzen Reich in Hunderten von Versammlungen und Kundgebungen. Ihre Wirksamkeit brachte nicht nur meine Wiederaufnahmesache endlich in Fluß, sondern förderte auch in hohem Maße die von der Roten Hilfe organisierte Massenbewegung für die Freilassung aller gefangener Revolutionäre“, lobte Hoelz das Engagement seiner „Frau“.

 

Arbeiter und Intellektuelle für Max Hoelz

 

Durch eine Reichsamnestie vom August 1925 war zwar ein ganzer Teil der proletarisch-politischen Gefangenen freigekommen. Doch Tötungsdelikte blieben von der Amnestierung ausgeschlossen und Max Hoelz blieb in Haft. Hoelz` Rechtsanwälte Ernst Hegewisch, Victor Fraenkl und das Mitglied der katholischen Zentrumspartei Laskowski sowie später der linksliberale „Staranwalt“ Alfred Apfel versuchten nun, ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, um nachzuweisen, daß Hoelz den Mord an Heß nicht begangen hatte. Damit wäre daß lebenslängliche Zuchthausurteil ebenso obsolet wäre wie die Behandlung als „gemeiner Verbrecher“. Zugleich setzte die Rote Hilfe auf die Initiierung  einer Massenbewegung, um die Amnestierung von Hoelz und allen noch in Haft verbliebenen proletarischen politischen Gefangenen zu erzwingen.

 

Der anarchistische Dichter Erich Mühsam, selber hafterfahren und ein Verehrer des revolutionären Tatmenschen Hoelz, verfaßte für die Rote Hilfe die einfühlsame Broschüre „Gerechtigkeit für Max Hoelz“. „Ich billige ausdrücklich seine Taten! - , gerade deshalb glaube ich das Recht zu haben auch vor Freunden, vor Indifferenten und vor Gegnern für ihn einzutreten“ , erklärte Mühsam. „Unrecht ist alles, was in Deutschland irgendwo gegen politische Gefangene geschieht! Unrecht ist mehr als alles andere, daß es in Deutschland immer noch politische Gefangene gibt! Der Großteil des deutschen Proletariats empfindet solidarisch mit den Opfern der Klassenjustiz. Wir fordern Generalamnestie, nicht als Akt der Gnade, sondern als Akt der primitivsten Gerechtigkeit! Will die Reichsregierung zeigen, daß ihr die Stimme des beleidigten Volksgewissens noch das geringste gilt, dann schaffe sie als ersten Ausdruck ihrer Abkehr vom Wege der Erbarmungslosigkeit und Klassenwillkür Gerechtigkeit für Max Hoelz!“

Ende 1926 hatte die Auflage der Broschüre bereits 45.000 Stück erreicht. Ähnlich erfolgreich war die Veröffentlichung von Max Hoelz` Briefen aus dem Zuchthaus durch den bekannten Journalisten Egon Erwin Kisch.

 

Im Herbst 1926 veröffentlichte die Rote Fahne neue Beweise der Unschuld von Max Hoelz. Zuerst druckte die Zeitung den Widerruf eines Reichswehrhauptmanns ab, der erklärte, seine Beschuldigungen vor Gericht seien von der Justiz erpreßt worden. Wenige Wochen später meldete sich der Bergarbeiter Erich Friehe bei Anwalt Apfel und bekannte sich als Mörder des Heß. Das Geständnis Erich Friehes wurde zum Kernpunkt eines neuen Wiederaufnahmeantrages. Nur unwillig reagierte die Staatsanwaltschaft auf die neuen Enthüllungen. Fast sieben Monate nach seinem Geständnis wurde Friehe erstmals in der Sache Heß vernommen, von einer Anklage sah die Justiz ab. Seine Selbstanzeige wurde als die Tat eines fanatischen Kommunisten dargestellt, der sich für Max Hoelz opfern wolle. Selbst in Gesellschaftskreisen, die Hoelz politisch überaus fern standen, wurde jetzt die Forderung nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens laut. „Die deutsche Bürgerkriegsjustiz ist eine Wiedergutmachung schuldig. Es ist bis nahe an die Gewißheit wahrscheinlich, daß der Kommunist Max Hoelz seine Zuchthausstrafe seit fünf Jahren schuldlos verbüßt, wenigstens an der Sache, um deren Willen er für lebenslänglich eingesperrt wurde“, forderte etwa der Berliner Börsenkurier. Ein „Neutrales Komitee für Max Hoelz“ trat am 23.April 1927 mit einem von 163 führenden Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft unterzeichneten Aufruf an die Öffentlichkeit und forderte die „schleunige Herbeiführung eines neuen Urteils über die Taten und über die Person von Max Hoelz“. Nahezu die gesamte demokratische Intelligenz der Weimarer Republik stellte sich hinter die Forderungen nach Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Max Hoelz. Insbesondere Egon Erwin Kisch gelang es, immer neue Persönlichkeiten in das Komitee einzubeziehen, darunter Bert Brecht, Martin Buber, Otto Dix, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Oskar Maria Graf, Alfred Kerr, Gustav Kiepenheuer, Käthe Kollwitz, Emil Ludwig, Heinrich Mann, Thomas Mann, Ludwig Marcuse, Erwin Piscator, Joachim Ringelnatz, Ernst Rowohlt, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Heinrich Zille und Arnold Zweig.

 

Am 18.März 1928, im Kalender der Roten Hilfe als traditioneller Tag der politischen Gefangenen begangen, reichten Alfred Apfel und Felix Halle beim Preußischen Landtag und beim Deutschen Reichstag eine Eingabe ein. Der Reichstag wurde aufgefordert, „vorliegende Eingabe nebst dem Wiederaufnahmeantrag der Regierung als Material zur Berücksichtigung und beschleunigten Erledigung zu überweisen, damit die Strafe des Hoelz auf Grund der im Reichsgesetz über die Gewährung von Straffreiheit vom 21.Juli 1922 gegebenen Möglichkeit erlassen und Hoelz nach sieben Jahren Zuchthaus endlich freigelassen wird.“  Der Preußische Landtag, unter dessen Gebietshoheit sowohl der Tatort als auch der Strafvollzug des Verurteilten sich befand, wurde aufgefordert, in dieser Angelegenheit auf die Reichsregierung einzuwirken, damit die Freilassung des Hoelz auf dem Verwaltungswege angeordnet würde. Apfel als Anwalt von Max Hoelz und Halle als dessen Vertreter vor dem Reichs-Amnestie-Ausschuß wiesen darauf hin, daß die rechtsextremistischen Putschisten Hitler, Ludendorff und Erhardt trotz ihrer Rolle bei den Kämpfen der Nachkriegszeit in Freiheit seien und ihre Beteiligung an Tötungen und Eigentumsdelikten straflos geblieben sei. „Die ungleichmäßige Anwendung der Gesetze, die nach der Verfassung für alle Staatsbürger gleiche Geltung haben sollten, hat eine Beunruhigung in der Bevölkerung hervorgerufen, die nicht wieder verschwinden wird, bevor nicht das Unrecht, das Max Hoelz geschehen ist, hinweggeräumt ist.“

 

Als unter dem Druck der breiten Amnestiebewegung die sozialdemokratisch geführte neue Reichsregierung am 14.Juli ein weitreichendes Amnestiegesetz verkündete, fiel endlich auch Max Hoelz darunter. Zu einer Wiederaufnahme des Hoelz-Prozeßes ist es somit nie gekommen, der Justizirrtum mußte nicht eingestanden werden.

 

Allein die juristische Vertretung von Max Hoelz hatte die KPD und Rote Hilfe von 1923 bis zu seiner Freilassung 55.000 Reichsmark gekostet. Möglich war die Kampagne für Max Hoelz, „weil große Teile der deutschen Arbeiterschaft sich in aufopferndster Weise an den von der proletarischen  Hilfsorganisation für die politischen Gefangenen, der Roten Hilfe Deutschlands, veranstalteten Sammlungen beteiligt haben. Auch aus anderen Bevölkerungskreisen, deren Rechtsgefühl durch die Aufrechterhaltung dieses offensichtlichen Justizirrtums verletzt war, sind - namentlich infolge der Aufrufe einiger hervorragender Intellektueller - verschiedene nicht unerhebliche Zuwendungen für die Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens gemacht worden“, heißt es in der Eingabe von Felix Halle und Alfred Apfel.

 

Tod und Gedenken

 

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Hoelz, der während seiner Haftzeit zum treuen KPD-Anhänger geworden war, in der Sowjetunion, wo er sich mit aller Energie in den sozialistischen Aufbau stürzte. Die kürzlich veröffentlichten Tagebücher von Max Hoelz aus der Sowjetunion geben Aufschluß, daß Hoelz trotz ehrlicher Verehrung für Stalin mit verschiedenen Sowjetbürokraten aneinandergeraten war und die Geheimpolizei GPU sich für ihn interessierte. Im September 1933 „ertrank“ der durchtrainierte, gute Schwimmer Hoelz bei einer Bootsfahrt auf dem Oka-Fluß in der Nähe der Stadt Gorki. Zeugen seiner Beisetzung berichteten, Hoelz habe Kopfverletzungen wie von einem Schlag mit einem harten Gegenstand gehabt.

 

Gegen den Widerstand vieler SED-Genossen, die in Hoelz weiterhin einen disziplinlosen Anarchisten sahen, weihte der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker am 14. Oktober 1989 zu Hoelz` 100. Geburtstag in Falkenstein ein Denkmal ein. „Max Hoelz war für uns Jungkommunisten das große Vorbild eines revolutionäres Führers, den wir sehr verehrten“, erinnerte sich Honecker an ein gemeinsames Sylvesterfest 1930/31 im Moskauer Hotel Lux. Das Hoelz-Denkmal hatte keine vier Monate Bestand. Am 2.Februar 1990 wurde es auf Weisung des gewendeten CDU-Bürgermeisters von Falkenstein demontiert.

 

Nick Brauns

 

Dichter über Max Hoelz:

 

 

Erich Mühsam: Max Hölz-Marsch

Melodie: Was blasen die Trompeten

 

Genossen, zu den Waffen!

Heraus aus der Fabrik!

Sprung auf, marsch marsch! Es lebe

Die Räterepublik!

Es lebe der Kommunismus,

Es lebe die Tat!

Es lebe wer sein Leben gibt

Fürs Proletariat!

            Doch unser Sieg ist nah;

Max Hölz ist wieder da!

Er hält die rote Fahne hoch und schwingt sie: Hurra!

 

Die Handgranat` am Gürtel,

Im Arme das Gewehr,

So stürmt Max Hölzens Garde

Durchs Sachsenland daher.

Der Bürger knickt zusammen.

Er sperrt den Geldschrank auf.

Hölz präsentiert die Rechnung

Mit dem Postolenlauf.

            Denn unser Sieg ist nah: usw.

 

Hier geht der rote Hahn auf,

Dort donnert Dynamit.

Der Bürger macht die Hosen voll

Und schwitzt um den Profit.

Die Sipo soll ihm helfen,

Der Reichswehrgeneral;

Die Sozibonzen zetern

Fürs heilige Kapital.

            Doch unser Sieg ist nah: usw.

 

Der Bürger schnaubt nach Rache.

Sein Geldsack ist noch stark,

Wer Hölzens Kopf zerschmettert,

Kriegt hunderttausend Mark.

Ihr Mörder und ihr Spitzel,

Zerstört die rote Saat!

Es kämpft für seine Freiheit

Das Proletariat.

Doch unser Sieg ist nah: usw.

 

Und muß denn gestorben sein,

Genossen, wohlan!

Wer für die Freiheit kämpfte,

Hat wohl daran getan,

Proleten, zu den Waffen!

Heraus aus der Fabrik!

Sprung auf, marsch marsch! Es lebe

Die Räterepublik!

            Ja, unser Sieg ist nah: usw.

 

Aus: Revolution, Berlin 1925.

Als dieses in der Festung Niederschönenfeld im April 1920 verfasste Gedicht der Anstaltsverwaltung in die Hände fiel, wurde der Verfasser Erich Mühsam mit einer Verschärfung der Einzelhaft durch Hofentzug und hartes Lager ohne Bettzeug, Decken und Kissen bestraft.

H

 

 

 

Kurt Tucholsky: Lorbeeren der herrschenden Klasse

für Max Hoelz –

 

Du sitzt für uns alle.

                        Unerschütterlich.

Wir gedenken deiner. Wir grüßen dich.

Als es aus war, hast du deinen Kopf hingehalten.

Gegen die Presse, die Bürger, die Polizei – gegen alle Gewalten.

 

Als es aus war, hast du vor Gericht gestanden.

Als ein Mann!

                        Alle Paragraphen wurden zuschanden.

Der Richter funkelte – weiß ohnmächtig vor Wut.

Du sahst ihn nur an wie der Hauptmann den dummen Rekrut.

 

Der Richter kreischte und schimpfte unflätig – gemein.

Da standest du auf! Und spieest der Justiz mitten in ihr Gesicht hinein!

„Wer seid ihr?“ Und: „Ich erkenne dies Gereicht nicth an!“

            Und: „Was könnt ihr mir schon - ?“

Die zappelnden Talare übertönte dein Ruf:

            „Es lebe die Weltrevolution - !“

 

Jetzt sitzt du im Zuchthaus.

            In der Hand von Gefängniswärtern und Direktoren.

Du wirst schikaniert, geschlagen, gequält ...

            Du hast den Mut nicht verloren.

Tausende sitzen wie du. Tapfer, ohne zu klagen, stumm.

Opfer der Richter. Wer kümmert sich drum - ?

 

Wer -?

            Wenn wo Proletarier zusammenstehn

Wenn sie deinen Namen hören, dein Bildnis sehn –

Dann wird es ganz still. Die Köpfe neigen sich.

Du sitzt für sie alle.

Sie geloben Rache. Schweigen ...

                        Und grüßen dich.

 

Aus: Die Rote Fahne, 23.Juni 1926

 

 

 

Johannes R. Becher: Max Hoelz

 

„Lebenslänglich Zuchthaus“

Dein Aug` hielt stand

Kein Nerv zuckte

„Ich weiß, wofür...“

Als sie dich abführten.

Gingen wir alle mit.

Unzertrennlich blieben wir,

Wir bei dir,

Du bei uns.

 

Dreck aus allen Gossen

Haben sie wider dich gehäuft.

Oft war es dunkler in dir als Nacht:

Du warst dem Wahnsinn nah.

Berge von Mauern haben sie über dich gewälzt.

Bist nicht zerbrochen.

In Gitter und Fesseln haben sie dich geschlagen.

Warst nicht kleinzukriegen.

Aus den Zeitungen rissen sich los zwei Worte,

Sprangen hinein in die Straßen,

Riefen:

Max Hoelz!

Hunderttausende vor dir,

Hunderttausende neben dir,

Zu beiden Seiten,

Sturm wächst,

Wo du hintrittst ...

 

Als du wiederkamst, war es

Als marschierten wir selbst

In Berlin ein.

Aus: Rote Fahne, 25. Juli 1928, Nach der Amnestierung von Max Hoelz

 

Zum Weiterlesen:

Nikolaus Brauns: Schafft Rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene (1919-1938); Pahl-Rugenstein, Bonn 2003; 345 S. Geb., Großformat, rund 300 Abbildungen und Faksimiles, ISBN 3-89144-297-1, 32.-€

Peter Giersich / Bernd Kramer: Max Hoelz – Sein Leben und sein Kampf, Karin Kramer Verlag Berlin 2000; 195 S.; 60 Abbildungen; 18,50 €

Ulla Plener (Hg.): Max Hoelz: »Ich grüße und küsse Dich – Rot Front!« Tagebücher und Briefe, Moskau 1929 bis 1933, dietz berlin 2005, 276 Seiten, 29,90 €

Max Hoelz: Vom weißen Kreuz zur roten Fahne, Jugend-, Kampf- und Zuchthauserlebnisse, Malik Verlag, Berlin; Reprint 1969 Verlag Neue Kritik KG, Frankfurt