Vortrag auf
der Internationalen Tagung der Partei der Arbeit Schweiz am 30. April 2016 in Bern: „Kiental
1916 – Geschichte – Gegenwart – Perspektiven“
Krieg dem
Kriege!
Von der
Zimmerwalder Linken zum roten Oktober
Nick Brauns
Nach der heute unter der
reformistischen und sozialdemokratischen Linken gängiger Leseweise, die auch
auf den Gedenkveranstaltungen der Robert-Grimm-Gesellschaft deutlich wurde,
waren die Konferenzen von Zimmerwald und Kiental in
erster Linie der Versuch, die Kriegsgegner innerhalb der internationalen
Sozialdemokratie zu sammeln. Lenin und die Zimmerwalder Linke erscheinen aus
dieser Sichtweise als Spalter und Sektierer. Aus
kommunistischer Sichtweise können Zimmerwald und Kiental
dagegen als der Versuch Lenins verstanden werden, einen Kern konsequenter
Internationalisten herauszukristallisieren: mit dem Ziel der Herausbildung
einer neuen, wieder auf marxistischer Grundlage stehenden Internationale. Lenins zentrales Ziel war dabei nicht nur die
Beendigung des Völkerschlachtens des imperialistischen Krieges, sondern der für
eine dauerhafte Beseitigung der Kriegsgefahr notwendige revolutionäre Sturz der
kapitalistischen Herrschaft zur Errichtung des Sozialismus. Um es gleich vorweg
zu nehmen: beide Sichtweisen der Zimmerwalder Bewegung sind legitim.
Schließlich behielt die zentristische und
pazifistische Strömung innrhalb der Zimmerwalder
Bewegung die Mehrheit gegenüber den revolutionären Marxisten. Doch andererseits
sollte die Geschichte der radikalen Minderheit der Zimmerwalder am Ende Recht
geben.
Der
Sozialistenkongress der II. Internationale fasste 1907 in Stuttgart den
Beschluss: „Droht der Ausbruch eines
Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre
parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch
des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern. …“ Gemäß
der reformistischen Logik konnte dieser Antrag so verstanden werden, dass der
Krieg als besonderer Auswuchs des Kapitalismus zu bekämpfen sei, um
anschließend wieder zum kapitalistischen Normalzustand zurückzukehren. Die
Vertreter beider Flügel der russischen Sozialdemokratie, Lenin und Martow, sowie die Vertreterin des linken Flügels der
deutschen SPD Rosa Luxemburg brachten daher einen Zusatzantrag ein, der die
Perspektive der sozialistischen Revolution mit dem Kampf gegen den Krieg
verband. Dieser lautete: „Falls ein Krieg
dennoch ausbrechen sollte, sind sie [die Arbeiter] verpflichtet, für dessen
rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, um die
durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen
Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der
kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen.“ Auch dieser Antrag wurde
vom Kongress angenommen.
Doch schon
beim nächsten Sozialistenkongress 1912 in Basel scheiterte der Versuch der
linken Sozialisten, einen Aufruf zum Massenstreik als konkretes Kampfmittel im
Falle eines Kriegsausbruches verbindlich für alle Mitgliedsparteien der II.
Internationale zu beschließen. Der Opportunismus war schon weit vorgedrungen.
Selbst der Führer der deutschen Sozialdemokratie, August Bebel, der sich
bislang um eine Mittelposition zwischen der marxistischen Linken und dem
revisionistischen Flügel der SPD bemüht hatte, sprach sich im Falle eines
Krieges mit Russland für die „nationale Verteidigung“ aus.
Nach
Kriegsausbruch im August 1914 warfen die Parteivorstände der deutschen und
französischen Sozialdemokratie alle Lippenbekenntnisse zu Frieden, Sozialismus
und Geschwisterlichkeit der Völker über Bord und stimmen im Namen der
Vaterlandsverteidigung für die von den Regierungen beantragten Kriegskredite. Als
Lenin in seinem Schweizer Exil am Kiosk den Vorwärts – die Zeitung der
deutschen Sozialdemokratie – holte, und darin über die Zustimmung der SPD zu
den Kriegskrediten las, glaubte er bekanntlich zuerst an eine Fälschung der
Geheimpolizei. Doch es war wahr, die II. Internationale war damit
zusammengebrochen.
Im zweiten
Kriegsjahr 1915 waren die Illusionen der Herrschenden vom schnellen Sieg
geplatzt, an der West – und ab Herbst auch an der Ostfront standen sich die
Heere in Stellungskriegen gegenüber, die Zahl der Toten und Verwundeten ging in
die Millionen. Hunger und Entbehrung machten sich auch an der Heimatfront
breit. Ab März 1915 gab es erste Ansätze von Antikriegsprotesten in Deutschland.
Innerhalb der SPD zeichnete sich eine zaghafte Opposition gegen die
Burgfriedenspolitik des Parteivorstandes ab. Am 20.März 1915 stimmten zwar nur
Karl Liebknecht und Otto Rühle gegen die nächsten Kriegskredite, doch 30
weitere sozialdemokratische Abgeordnete blieben der Abstimmung fern. Die
führenden Vertreter des konsequent marxistischen Flügels der Partei, darunter
Wilhelm Pieck, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Franz Mehring, Käthe und
Herrmann Dunker, schlossen sich nun zur Gruppe Internationale, dem späteren
Spartakusbund, zusammen. Der internationale Widerstand gegen die Kriegspolitik
der sozialdemokratischen Führungen zeigte sich zuerst in der sozialistischen
Frauen- und Jugendbewegung, die sich im März und April 1915 in Bern versammelten.
Ein Vorschlag
der italienische Sozialisten zur Einberufung einer Konferenz des
Internationalen Sozialistischen Büros (ISB) als Führung der II. Internationale
angesichts der „Ergebnisse“ des Völkermordens wurde vom ISB-Vorsitzenden Vandervelde abgelehnt. Daher nahmen die italienischen und
Schweizer Sozialisten die Initiative in die eigene Hand. Um die „ zerrissenen Fäden der internationalen
Beziehungen neu zu knüpfen und die Arbeiterklasse zur Selbstbesinnung und zum
Kampf für den Frieden aufzurufen“, lud der Schweizer Sozialist Robert Grimm
im Namen der Schweizer und der italienischen Sozialisten ausgewählte
Kriegsgegner innerhalb der internationalen Sozialdemokratie zu einer Konferenz
in die neutrale Schweiz ein.
Vom 5.bis 8.
September 1915 versammelten sich 38 Delegierte aus 11 Ländern im kleinen Dorf
Zimmerwald bei Bern. Auf der Fahrt vom Bahnhof zum Dorf witzelte der russische
Revolutionär Leo Trotzki darüber, dass 50 Jahre nach Gründung der ersten
Internationale alle Internationalisten Europas in vier Pferdewagen Platz
fänden. Die Spanne der in Zimmerwald Versammelten reichten von den mehrheitlich
vertretenen Zentristen um die deutschen SPD-Abgeordneten Adolph Hoffmann und
Georg Ledebour sowie den Führer der russischen Menschewiki, Martow, die nur in
Worten gegen den Krieg protestierten, bis zu Lenins Bolschewiki, die für eine
revolutionäre Antikriegspolitik eintraten.
Nicht dabei
sein konnte der deutsche Antimilitarist und
Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht, der als Armierungssoldat an die Front
eingezogen worden war. In einem Grußwort an die Konferenz schrieb Liebknecht:
„Liebe Genossen! Ich bin vom
Militarismus gefangen, gefesselt. So kann ich nicht zu Euch kommen. Mein Herz,
mein Kopf, meine ganze Seele ist dennoch bei Euch.
Ihr habt zwei ernste Aufgaben. Eine
harte der rauhen Pflicht und eine heilige der
enthusiastischen Begeisterung und Hoffnung.
Abrechnung, unerbittliche Abrechnung
mit den Fahnenflüchtigen und Überläufern der Internationale in Deutschland,
England, Frankreich und anderwärts.
Gegenseitige Verständigung,
Ermutigung, Anfeuerung der Fahnentreuen, die entschlossen sind, keinen Fußbreit vor dem internationalen Imperialismus zu
weichen, mögen sie auch als Opfer fallen. Und Ordnung in den Reihen derer zu
schaffen, die auszuharren entschlossen sind, auszuharren und zu kämpfen – den
Fuß fest am Male des internationalen Sozialismus.
Die Prinzipien unserer Stellung zum
Weltkrieg, als Spezialfall der Prinzipien unsrer Stellung zur kapitalistischen
Gesellschaftsordnung, gilt’s kurz zu klären: kurz –
so hoffe ich! Denn hier sind wir alle, seid ihr alle einig, müssen wir uns
einig sein.
Die taktischen Folgerungen aus
diesen Prinzipien gilt’s vor allem zu ziehen –
rücksichtslos, für alle Länder!
Burgkrieg, nicht Burgfrieden!“
Diese
Forderung entsprach voll und ganz der Linie Lenins, der Liebknechts Schlusssatz
dick unterstrich.
Die
Zentristen sahen zwar die Beendigung des Krieges als zentral an. Gleichwohl
verweigerten sie einen organisatorischen Bruch mit den sozialchauwinistischen
Parteiführungen und hofften auf eine Wiederbelegung der II. Internationalen
nach dem Kriege. Konkrete Aktionsvorschläge zum Kampf gegen den Krieg, wie etwa
die zwingende Ablehnung der Kriegskredite durch die sozialistischen Parlamentsfraktionen
wurden von diesem zentristischen Flügel abgelehnt, um
die Einheit mit den Parteirechten nicht durch Brüche der Fraktionsdisziplin zu
gefährden.
Die Bolschewiki
Lenin und Sinowjew, der polnischen Sozialisten Karl
Radek und der deutschen Vertreter der rätekommunistischen Zeitschrift
„Lichtstrahlen – Zeitschrift für internationalen Kommunismus“ Julian Borchardt,
der Schweizer Fritz Platten sowie schwedische und norwegische Vertreter bildeten
die Fraktion der Zimmerwalder Linken. Diese sah den Bruch mit der II.
Internationale und die Vorbereitung der Gründung einer neuen III.
Internationale angesichts der Politik der Vaterlandsverteidigung durch die
Parteiführungen als zwingen an. Die Zimmerwalder Linke wandte sich gegen die
von den rechten sozialistischen Parteiführungen ausgegebene Losung des
Burgfriedens mit der Forderung der Umwandlung des Krieges in einen Bürgerkrieg
zum Sturz der eigenen imperialistischen Regierung. Zwischen den Zentristen und
den Linken standen Leo Trotzki und die Vertreter der deutschen Gruppe
„Internationale“.
Für Unverständnis sorgt bis heute die Leninsche
Forderung nach Defätismus, also der angestrebten Niederlage der eigenen
Regierung in einem imperialistischen Krieg. Leicht konnte diese Linie so
verstanden werden, als träten die Revolutionären für den Sieg der gegnerischen
Bourgeoisie ein. Unverständlich wäre dann allerdings, warum den Sozialisten des
gegnerischen Landes dann ihre sozialpatriotische Haltung zum Vorwurf gemacht
werden kann. Um derartige Missverständnisse zu vermeiden, schlug Trotzki vor,
stattdessen für einen revolutionären Kampf um den Frieden und die vereinigten
Staaten von Europa einzutreten. Die Arbeiterklasse der kriegführenden Staaten
müsse die Macht übernehmen und sich über die Grenzen hinweg vereinigen. Demgegenüber
vertrat Lenin, dass der Forderung nach Frieden allein nichts Revolutionäres
anhafte, solange damit nicht ein Aufruf zur Revolution und zum Kampf gegen die
kapitalistische Klasse verbunden sei. „Umwandlung des gegenwärtigen imperialistischen Krieges in den
Bürgerkrieg ist die einzig richtige proletarische Lösung, wie sie aus der Erfahrung
der Kommune hervorgeht, wie sie in der Basler Resolution niedergelegt ist“, so
Lenin. „Die Sozialisten müssen
den Massen klarmachen, dass es für sie keine Rettung gibt außer in der
revolutionären Niederwerfung der ‘eigenen’ Regierungen und dass die
Schwierigkeiten dieser Regierungen im gegenwärtigen Krieg eben für diesen Zweck
ausgenutzt werden müssen.“ Gemeint ist mit der Leninschen Losung des Defätismus letztlich, dass der
Klassenkampf während des Krieges nicht zurückgehalten werden darf, selbst wenn
in der Konsequenz die eigene imperialistische Regierung durch verfeindete
Staaten geschlagen wird. Vielmehr gilt es, die durch den Krieg ausgelösten
Erschütterungen und die Schwächung der eigenen herrschenden Klasse im Falle
einer Kriegsniederlage zu ihrem Sturz auszunutzen.
Ein von
Radek im Namen der Linken eingebrachter Resolutionsentwurf, der mit 18 zu 12
Stimmen abgelehnt wurde, hatte hier klare Vorschläge gemacht, die von Ablehnung
der Kriegskredite und dem Rücktritt von Sozialisten aus bürgerlichen
Regierungen bis zu illegalen Publikationen gegen den Sozialpatriotismus reichten.
„Jede Massenbewegung, die aus den Folgen
des Kriegs entsteht (gegen die Verarmung, als Reaktion auf die Verluste der
Armee, etc.) muss genutzt werden, um Straßendemonstrationen gegen die
Regierungen, sozialistische Propaganda internationaler Solidarität in den
Schützengräben, wirtschaftliche Streiks zu organisieren und zu versuchen, diese
Streiks, wenn die Bedingungen günstig sind, in politische Kämpfe zu
verwandeln“, hieß es in dem Entwurf. „Genug des Gemetzels! (…) Sturz der kapitalistischen
Regierungen – das ist das Ziel, das
sich die Arbeiterklasse aller kriegführenden Länder setzen muss, denn erst
dann, wenn dem Kapital die Macht entrissen ist, über Leben und Tod der Völker
zu bestimmen, wird der Ausbeutung der einen Völker durch die anderen, erst dann
wird den Kriegen ein Ende gemacht werden. Friedliche Druckmittel werden nicht
genügen, um den Feind niederzuzwingen ...“
Auch die Zimmerwalder Linke unterstützte schließlich ein
von Trotzki verfasstes Manifest, das den Weltkrieg als imperialistischen Krieg
charakterisierte. Zwar wurde darin die Zustimmung von sozialistischen
Abgeordneten zu Kriegskrediten kritisiert, doch der Verrat der rechten
Parteiführungen nicht klar verurteilt. Die europäischen Arbeiter wurden zwar dazu
aufgerufen, für einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen zu kämpfen.
Doch die Zentristen hatten sich aus Sorge um einen Bruch mit den rechten
Parteiführungen sowie vor Repressalien nach ihrer Rückkehr in ihre Länder gegen
die Benennung konkreter Maßnahmen im Kampf gegen den Krieg gestellt. „Es wäre Sektierertum, wollte man darauf verzichten,
gemeinsam mit der Minderheit der Deutschen, Franzosen, Schweden, Norweger und
Schweizer diesen Schritt vorwärts zu machen, solange wir uns die volle Freiheit
und die volle Möglichkeit wahren, die Inkonsequenzen zu kritisieren und mehr
anzustreben“, rechtfertigten die Bolschewiki ihre Unterschrift unter das
kompromisslerische Manifest. „Es wäre schlechte militärische Taktik, wollte man
es ablehnen, gemeinsam mit der wachsenden internationalen Protestbewegung gegen
den Sozialchauvinismus zu marschieren, weil sich diese Bewegung langsam
entwickelt, weil sie `nur´ einen Schritt vorwärts macht.“
Eine „Internationale
Sozialistische Kommission“ (ISK) wurde als „ständiges Verbindungs- und
Informationszentrum“ der kriegsgegnerischen sozialistischen Strömungen
gebildet. Zur Vorbereitung einer Folgekonferenz verfasste Lenin im Winter
1915/16 mehrere Artikel, die zum Teil über die Presse der ISK den
oppositionellen Sozialdemokraten in Westeuropa bekannt wurden. In „Über das
Friedensprogramm“ und „Die sozialistische Revolution und das
Selbstbestimmungsrecht der Nationen“ machte er deutlich, dass der Kampf gegen
den Krieg nicht in Worten, sondern durch Taten geführt werden müsse. Bei
Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems würde der Krieg nur mit einem
imperialistischen Frieden enden können. Es sei daher unmöglich, einen
demokratischen Frieden ohne Revolution zu erkämpfen. „Es genügt nicht, wenn ein Sozialist, ganz gleich welcher Nation, in
Worten die Gleichberechtigung der Nationen anerkennt, wenn er schwört und hoch
und heilig versichert, gegen Annexionen zu sein“, heißt es in den „Vorschlägen
des Zentralkomitees der SDAPR an die Zweite Sozialistische Konferenz“ zur
Konkretisierung des Zimmerwalder Manifestes, „Jeder Sozialist ist vielmehr verpflichtet, sofort und unbedingt die
Freiheit der Lostrennung der Kolonien und Nationen zu fordern, die von seinem
eigenen ›Vaterland‹ unterdrückt werden.“
Auf Antrag
der Bolschewiki beschloss eine erweitere Sitzung der ISK Anfang 1916 eine
Folgekonferenz der Zimmerwalder Bewegung zu Ostern. In dem einladenden
Rundschreiben fanden sich unter maßgeblichem Einfluss Lenins bereits
deutlichere Formulierungen als im Zimmerwalder Manifest, so wurde die Teilnahme
von Sozialisten an bürgerlichen Regierungen verurteilt, die „so genannte
Vaterlandsverteidigung in diesem Kriege“ als „ein Mittel des gröbsten Betruges“
zur Unterwerfung der Völker unter den Imperialismus gebrandmarkt, die Ablehnung
der Kriegskredite „unabhängig von der militärischen Lage“ gefordert und die
„freiwillige Beteiligung der Arbeiter an Institutionen, die der
Landesverteidigung dienen“, verworfen. Stattdessen erstmals wurden konkrete
Kampfmaßnahmen zur „revolutionären Einmischung der Arbeiterklasse“ gegen die
Krieg wie „Verbrüderung in den Schützengräben“, Streiks und sonstige Aktionen
benannt.
Seit dem 21.
Februar 1916 tobte an der Westfront die Schlacht von Verdun, die bis zum
Dezember 300.000 Menschenleben auf beiden Seiten kosten sollte. Die
Rüstungsindustrie produzierte auf Hochtouren. Nennenswerten Widerstand der
Arbeiter in Form von Streiks oder Sabotage gegen den Krieg gab es keine. Doch
der Burgfrieden, den die „Vaterlandsverteidiger“ der rechten Sozialdemokratie
im Einklang mit der Bourgeoisie verkündet hatte, war ersten Erschütterungen ausgesetzt.
So schlossen sich in Deutschland bei der erneuten Abstimmung über die
Bewilligung der Kriegskredite am 24. März erstmals auch 18 zentristische
Abgeordnete der SPD-Faktion dem Nein von
Karl Liebknecht und Otto Rühle an. Die Abtrünnigen wurden wegen Bruchs der
Fraktionsdisziplin aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen und konstituierten sich als
Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft. Dies war der erste Schritt zur organisatorischen
Trennung der Kriegsgegner von der rechten SPD-Führung und zur Bildung der
späteren Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD).
Vor diesem
Hintergrund fand die zweite Konferenz der Zimmerwalder Bewegung vom 24. bis zum
30. April in der Schweiz statt. Nach ihrer Konstituierung im Volkshaus Bern
tagten die 43 Delegierten aus Russland, Deutschland, Italien, Polen Frankreich,
Serbien, Österreich, Portugal und England im kleinen Bergort
Kiental im Hotel „Bären“. Einige geladene Delegierte
aus England, Österreich, Rumänien, Bulgarien, Schweden und Norwegen hatten
keine Visa für die Schweiz erhalten. Die Zimmerwalder Linke umfasste nun
bereits zehn offiziellen Delegierte: die russischen Bolschewiki Lenin, Sinowjew und Inessa Armand, die Polen Bronski,
Radek und Dombrowski, die Schweizer Fritz Platten, Ernst Nobs
und Agnes Robmann sowie den Deutschen Paul Frölich von den außerhalb der SPD stehenden Bremer
Linksradikalen. Trista Kazlerovic
aus Serbien, Henri Guilbeaux aus Frankreich sowie
Willi Münzenberg als Vertreter der internationalen sozialistischen
Arbeiterjugendorganisationen unterstützen die Zimmerwalder Linke, ohne sich ihr
formell anzuschließen. Weitere Stimmen, die das Gewicht der Linken bei einigen
Abstimmungen auf bis zu 22 Delegierte anwachsen ließen, kamen etwa von den
beiden Vertreter der Gruppe „Internationale“ - dem späteren Spartakusbund –
Ernst Meyer und Berta Thalheimer aus Deutschland, dem Italiener Serrati und anderen. Vier deutsche Delegierte unter Leitung
von Adolph Hoffman bezeichneten sich als „Opposition innerhalb der Partei“ und
machten damit deutlich, dass sie einen Bruch mit der sozialchauvinistischen
SPD-Führung weiterhin ablehnten.
Die zentrale
Streitfrage in Kiental betraf das Verhältnis zur bei
Kriegsbeginn auseinandergeflogenen Zweiten Internationale und deren „wegen des
Krieges“ geschlossenen Führungsgremiums, des Internationalen Sozialistischen
Büros (ISB). Dessen permanenter Sekretär Camille Huysmanns
im neutralen Holland hoffte auf eine gegenseitige „Amnestierung“ nach dem
Krieg. Wenn sich die sozialistischen Parteien wieder auf den alten Weg begäben,
würde sich die Zimmerwalder Organisation auflösen, lautete seine von den zentristischen Vertretern in Kiental
geteilte Überzeugung. Man dürfe die alten Parteiinstanzen nicht spalten,
sondern müsse sie zurückerobern, erklärte dementsprechend der russische
Menschewist Pawel Axelrod. „Wir müssen
mit ihnen so umgehen wie ein erfahrener und aufmerksamer Arzt mit einem lieben
Patienten (…). Es geht hier nicht um irgendeinen Verrat. Ebenso, wie beim
einzelnen Individuum ungefähr mit 18 Jahren der Stimmbruch eintritt, erging es
auch der II. Internationale. Man muss die Einberufung des ISB fordern.“
Gemeinsam mit Vertretern aus den sozialistischen Parteien Afrikas, Indiens und
Japans könnten die Kriegsgegner eine Mehrheit auf einer ISB-Sitzung bekommen,
warb der Italiener G. E. Modigliani mit einem Taschenspielertrick für eine
Einberufung des ISB. Dagegen propagierte die Zimmerwalder Linke den offenen,
auch organisatorischen Bruch mit den kriegstreiberischen
Sozialchauvinisten. „Die Leute, mit denen
ihr die Internationale wiederherstellen wollt, sind tot, sie existieren nicht
buchstäblich, sondern politisch nicht mehr“, warf Lenin den Zentristen vor
und plädierte angesichts einer von ihm bereits wahrgenommenen Gärung der
kriegsmüden Volksmassen für den Aufbau einer neuen Dritten Internationale. Dabei
ging es den Bolschewiki noch nicht um die unmittelbare Ausrufung sondern um die
„vorläufige geistig-politische Vorbereitung“ einer solchen nur in Folge einer
Massenbewegung zu gründenden Internationale. „Lenin spricht ins Leere! Wo sind denn seine Arbeiterbataillone?
Nirgends!“ konterte der Führer der Menschewiki
Julius Martow. Doch Lenin sah diese
Arbeiterbataillone – zwar noch in Uniform und sich gegenseitig abschlachtend in
den Schützengräben.
Nachdem die
Zentristen damit drohten, die Konferenz zu verlassen, sollte dort ein Bruch mit
dem ISB beschlossen werden, wurde schließlich mit großer Stimmenmehrheit eine
als Kompromiss verfasste Schlussresolution angenommen. Ihre Einleitung
entsprach einer regelrechten Kriegserklärung an das ISB. Sollte es tatsächlich
zur Einberufung des ISB kommen, würde die Zimmerwalder Bewegung dort „die
tatsächlichen Absichten des nationalen Sozialismus, der die Arbeiterklasse von
ihren Zielen ablenken wollte“, entschleiern und diesem „Täuschungsversuch“ die
Prinzipien der internationalistischen Opposition entgegensetzen. Die Konferenz
zeigte sich überzeugt, „dass die Internationale nur in dem Maße als die
wirkliche politische Macht aus dem Zusammenbruch neu erstehen wird, als das
Proletariat sich von den imperialistischen und chauvinistischen Einflüssen
freimachen und den Weg des Klassenkampfes und der Aktionen der Massen wieder
betreten wird“. Die Zimmerwalder Linke hatte der Kompromissresolution, die
keinen Bruch mit dem ISB forderte, zugestimmt, um nicht die ganze Konferenz zu
gefährden.
Eine weitere
zentrale Debatte auf der Konferenz betraf die „Stellung des Proletariats zur
Friedensfrage“. Auch hier standen zuerst mehrere Resolutionsvorschläge
gegeneinander. Der Entwurf der Linken hatte zum revolutionären Kampf gegen die
imperialistischen Cliquen und Regierungen des eigenen Vaterlandes aufgerufen
und endete mit den Worten an die Proletarier in Uniform: „Senkt die Waffen, richtet sie gegen den gemeinsamen Feind – die
kapitalistischen Regierung.“ Die schließlich angenommene Resolution trug
zwar wieder Kompromisscharakter, spiegelte aber zugleich den deutlich angewachsenen
Einfluss der Linken und die partielle Radikalisierung der Zentristen wieder.
Darin wurden
nun pazifistische Illusionen in Rüstungsbeschränkungsvereinbarungen,
internationale Schiedsgerichte und dergleichen als „Utopie“ zur „Irreführung
der Massen, der Ablenkung vom revolutionären Klassenkampf“ abgelehnt. Anerkannt
wurde dagegen, dass „der Kampf für den
dauerhaften Frieden daher nur im Kampf für die Verwirklichung des Sozialismus
bestehen“ kann. In einer Sympathiebekundung sprachen die Delegierten allen
Vorkämpfern ihre Solidarität aus, „die
inmitten der blutigen Weltkatastrophe die Fahne des Sozialismus hochhalten und
trotz des Burgfriedens und der Versöhnungstheorien im Kampf gegen den Kapitalismus
keinen Waffenstillstand anerkennen“. Uneinigkeit herrschte weiterhin in der
Frage der Ablehnung von Kriegskrediten. So verkündete der französische
Delegierte Brizon nach einer mehrstündigen Rede ganz
im Geiste der Vaterlandsverteidigung, die französischen Sozialisten würden die
Kredite nur unter der Bedingung ablehnen, „dass keine fremden Heere mehr auf
französischem Boden stehen“. In der Praxis handelte Brizon
besser. Bei der nächsten Abstimmung im französischen Parlament sollten er und weiteren Abgeordnete gegen die
Kriegskredite stimmen.
Ein in Kiental verabschiedetes Manifest „An die Völker, die man
zugrunde richtet und tötet“, war ein vor allem moralisch-appellativ
wirkender Kompromisstext, der insbesondere die französischen Zentristen mitziehen
sollte. Im Unterschied zum vorausgegangenen Zimmerwalder Manifest wurde
allerdings „die sofortige Ablehnung jeglicher Unterstützung der Kriegspolitik
der Regierungen“ einschließlich der Kriegskredite gefordert.
„Die zweite Zimmerwalder Konferenz stellt
unzweifelhaft einen Schritt vorwärts dar“, bewertete Sinowjew
das Ergebnis von Kiental. „Der Einfluß der Linken erwies sich als viel
stärker als in Zimmerwald. Die Vorurteile gegen die Linke sind geringer
geworden. Aber kann man denn sagen, dass die Würfel geworfen, dass die
Zimmerwalder endgültig den Weg des Bruches mit den offiziellen ›Sozialisten‹
beschritten haben, dass Zimmerwald zum Keim der III. Internationale geworden
ist? Nein, mit gutem Gewissen kann man dies noch nicht sagen. Alles, was man
sagen kann, ist, dass die Chancen für eine solche, für die revolutionären
Sozialisten günstige Wendung jetzt größer sind, als sie nach Zimmerwald waren.
Doch neue Schwankungen, neue Zugeständnisse den Sozialchauvinisten,
insbesondere nach dem Kriege, wenn ihre Herren (die Bourgeoisie) ihnen erlauben
werden, in Worten noch ›linkser‹ zu werden – sind
sehr wohl möglich. (…) Es kann keine Einheit geben zwischen Sozialisten und
Dienern der Bourgeoisie. Muranow und Petrowski in Rußland, Liebknecht
in Deutschland, Höglund und Heden in Schweden, Mac
Lean in England – alle diese unsere Genossen, die von den Regierungen ihrer
›Vaterländer‹ in Gefängnissen gehalten werden, sind die wahren Träger der Idee
der neuen Arbeiterinternationale. Für die Dritte Internationale!“
Zwischen
Januar und Juni 1916 arbeitete Lenin in Zürich an seinem Werk „Der
Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Dieser
„Gemeinverständliche Abriss“ wurde zwar erst 1917 veröffentlicht, so dass die
Hintergründe seines Entstehens häufig ignoriert werden. „Imperialismus als das
höchste Stadium des Kapitalismus kann als die theoretische Grundlage verstanden
werden sowohl für die Zimmerwalder Linken als auch die internationale
kommunistische Bewegung, der sie Auftrieb verlieh“, wies R. Craig Nation in
seinem Buch „War on War“ über die Zimmerwalder Bewegung hin. Für die
Zimmerwalder Linke zentrale Themen wie der Bankrott des Reformismus, die
Existenz einer objektiv revolutionären Situation, die Natur des Krieges als
Krise des Imperialismus, der Zusammenhang zwischen nationalen Befreiungskämpfen
und dem Kampf um Sozialismus und die Notwendigkeit einer revolutionären
Internationale zur Koordination der weltweiten sozialistischen Arbeiterbewegung
finden ihre Erklärung und Rechtfertigung in Lenins schmalen Bändchen. „Das
historische Ziel der Zimmerwalder Linken bestand darin, die kommende
Weltrevolution anzukündigen und den Weg für ihre Vorhut zu bereiten. Der
Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus wurde geschrieben, um die
neue Internationale mit einer konzeptionellen Grundlage zu versorgen“, so Craig
Nation.
Dass die
Zimmerwalder Bewegung als Ganzes der Kern einer neuen Internationale werden
könnte, glaubten Lenin und Sinowjew niemals. Für die
Bolschewiki stellte die Zimmerwalder Bewegung eine Aktionseinheiten mit den
halbherzigen zentristischen Kräften gegen den Krieg
und gegen die rechten Sozialchauvinisten da, die zu diesem Zeitpunkt in Schritt
in die die richtige Richtung war. So konnte der Arbeiterbewegung signalisiert
werden, dass überhaupt noch ein kleiner Teil der Sozialisten eine
internationalistische Perspektive weiterverfolgte. Die Konferenzen von
Zimmerwald und Kiental hatten den Bolschewiki
geholfen, innerhalb der europäischen sozialistischen Bewegung einen Kern
konsequenter Internationalisten herauszukristallisieren und zugleich eine
strategische Orientierung für den revolutionären Antikriegskampf aufzuzeigen.
In diesem Sinne waren die Konferenzen eine unerlässliche Etappe auf dem Weg zu
einer neuen Internationale.
Als sich
ausgerechnet der führende Organisator der Zimmerwalder Bewegung, der Schweizer
Sozialdemokrat Robert Grimm, Anfang 1917 mit dem sozialpatriotischen Flügel der
Schweizer Sozialisten verbündete, signalisierte mehr als alles andere den
politischen Bankrott der zentristischen Strömung von
Zimmerwald. „Er betrügt die Arbeiter mit
allen möglichen `rrrevolutionären´ Phrasen, durch die
er in Wirklichkeit die alte sozialpatriotische, bürgerlich-reformistische
Praxis der Partei bemäntelt“, geißelten Lenin Grimms Verrat. Als neue
Losung gab er aus: „Der ganze Kampf der
Linken und der ganze Kampf für Zimmerwald und Kiental
hat sich jetzt auf ein anderes Terrain verlagert: Kampf gegen diese Clique von
Führern, die die Partei besudelt haben. Es gilt, überall die Linken zu sammeln
und die Kampfmethoden zu erörtern.“ Zu diesem Zeitpunkt, als sich bereits
eine Wende vom imperialistischen Krieg zu Versuchen eines imperialistische
Friedens abzuzeichnen begann, wurde immer deutlicher, dass die revolutionäre
Linke nicht mehr mit der rechten, zentristischen
Mehrheit in der Zimmerwalder Bewegung verbleiben konnte, ohne „der
Arbeiterbewegung den allergrößten Schaden“ zuzufügen, wie Lenin warnte.
Als wenige
Wochen später die russische Februar-Revolution den Zarismus hinwegfegte und in
allen kriegführenden Ländern ein Aufschwung der revolutionären Arbeiterbewegung
zu verzeichnen war, entpuppte sich die Zimmerwalder Bewegung unter der Dominanz
der Zentristen mehr und mehr als ein Hemmnis. Die April-Konferenz der
Bolschewiki lehnte zwar aus taktischen Gründen noch den von Lenin geforderten
sofortigen Bruch mit der Zimmerwalder Bewegung ab, das ZK wurde allerdings
beauftragt, unverzüglich Schritte zur Gründung der III. Internationale
einzuleiten. An der dritten Konferenz der Zimmerwalder Bewegung vom 5. bis 12.
September 1917 in Stockholm nahmen ausschließlich Vertreter der zentristischen Linie teil.
Den
entscheidenden Anstoß für die Gründung der Dritten – kommunistischen - Internationale gab die sozialistische
Oktoberrevolution 1917 in Russland. Diese wiederum wurde nur möglich, weil die
Bolschewiki das bereits vom Internationalen Sozialistenkongress 1907
beschlossene, aber von der übergroßen Mehrheit der Zweiten Internationale
verratene Prinzip aufrechterhielte, im Falle eines Krieges die Situation zum
revolutionären Sturz des Systems auszunutzen. Dieser Linie blieb Lenin in
Zimmerwald und Kiental treu, wenn er dort die
Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen revolutionären Bürgerkrieg
forderte.
„Als unsere Partei im November 1914 die
Losung aufstellte `Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen
Bürgerkrieg der Unterdrückten gegen die Unterdrücker, für den Sozialismus´, da
stieß die Losung auf den feindlichen und böswilligen Spott der Sozialpatrioten,
auf das ungläubig-skeptische, charakterlos-abwartende Schweigen der
Sozialdemokraten des `Zentrums´. Der deutsche Sozialchauvinist, der
Sozialimperialist David erklärte uns für Verrückt, während der Repräsentant des
russischen (und anglo-französischen) Sozialchauvinismus, des Sozialismus dem
Wort, des Imperialismus der Tat nach, Herr Plechanov,
dieselbe mit dem Namen `Traumfarce´(Mittelding zwischen Traum und Komödie)
belegte. Die Repräsentanten des Zentrums aber hüllten sich in Schweigen oder
ergingen sich in zynischen Witzen über die `gerade Linie, die im luftleeren
Raum gezogen ist.´. Jetzt nach dem März 1917, wird nur
ein Blinder nicht einsehen, wie richtig die Losung war: Die Umwandlung des
imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg fängt an Tatsache zu werden. Es
lebe die beginnende proletarische Revolution in Europa!“, schrieb Lenin vor
seiner Fahrt im „plombierten Waggon“ in die Revolution in seinem
„Abschiedsbrief an die Schweizer Arbeiter“.
Die bis
heute gültige Hauptlehre und Aktualität von Zimmerwald und Kiental
– oder genauer der dort vertretenen linken Tendenz - besteht in der Erkenntnis,
dass der Kampf der Arbeiterklasse gegen den Krieg untrennbar mit dem Kampf
gegen die Ausbeutung verbunden sein muss. Der Kampf gegen den Krieg erfordert
letztlich die Überwindung des Kapitalismus. Nicht zuletzt Erfahrung von Syriza in Griechenland hat deutlich gemacht, dass sich ein
radikales Programm ohne Bruch mit dem EU-Imperialismus und der NATO nicht
durchsetzen lässt.
Die Haltung
zum imperialistischen Krieg ist weiterhin der entscheidende Prüfstein für jede
linke, antikapitalistische Partei und Bewegung. Konsequenter Internationalismus
und Antimilitarismus bedeuten, nicht bei Worten und schönklingenden
Resolutionen zu verharren, sondern den Worten Taten folgen zu lassen. Damit
sind nicht symbolische militante Aktionen wie Brandanschläge auf
Bundeswehrfahrzeuge gemeint (auch wenn in Deutschland zerstörtes Kriegsgerät in
Afghanistan und anderorts auf der Welt keinen Schaden mehr anrichten kann…).
Vielmehr können diese Taten von einem „Nein“ der linken Parlamentsfraktionen zu
Auslandseinsätze der Armee (auch solcher unter humanitärem Deckmantel oder
unter UN-Mandat) über Kampagnen gegen die Soldatenwerbung und Rekrutierung an Schulen und Arbeitsämtern
bis zur Massenmobilisierung gegen den Krieg und dann auch direkten Aktionen wie
der Blockade der Verladung von Rüstungsgütern auf Züge und Schiffe reichen.
Hier versagen nahezu alle parlamentarisch orientierten Parteien der
europäischen Linken. Selbst wenn sie – wie die deutsche Linkspartei – bislang
keinen Kriegseinsätzen zugestimmt haben, mobilisieren sie nicht aktiv gegen die
herrschende Kriegspolitik, sondern belassen es bei zahnlosen pazifistischen
Appellen.
Weiterhin
aktuell bleibt die Forderung, die Kriegssituation zum Bruch mit dem
herrschenden System zu nutzen. Auch wenn uns dies in der gegenwärtigen
europäischen Realität utopisch erscheinen mag, gibt es dafür historische und
aktuelle Beispiele von der Pariser Kommune über die russische Revolution bis
zur Erringung der Selbstverwaltung der Kurden und ihrer Verbündeten im syrischen
Rojava im Windschatten des Krieges.