Ehrung für Märchenerzähler und Geschichtsfälscher

 

 

Zwei Märchenerzähler zeichnete die CDU-nahe Deutschland-Stiftung am Sonntag in der Münchner Residenz mit dem Adenauer-Preis aus. Das Lebenswerk von beiden bestand in der Schönschreibung von Verbrechern. Der eine, Otfried Preußler, schuf den Räuber Hotzenplotz und erfreute mit dem sympathischen Ganoven Jung und Alt.

 

Der andere dagegen, der Historiker Ernst Nolte, schrieb nicht Geschichten, sondern Geschichte und erfreute mit seiner Relativierung des Hitlerfaschismus vor allem diejenigen Kreise in Politik und Gesellschaft, die als "selbstbewusste Nation" wieder großdeutsche Politik betreiben wollen und daran vom "Makel" Auschwitz gehindert worden. Ihnen erzählt Märchenonkel Nolte, der faschistische Völkermord an den Juden sei in Wirklichkeit eine Abwehrreaktion auf den Bolschewismus gewesen und er addiert indirekt die sechs Millionen Ermordeten zu den Opfern des Kommunismus. Während des sogenannten Historikerstreites vor allem auf den Seiten der FAZ vertrat Nolte, der Archipel Gulag sei ursprünglicher wie Auschwitz gewesen. Hitler und die Nationalsozialisten hätten nur deshalb eine "asiatische Tat" vollbracht, weil sie Angst gehabt hätten, ihrerseits Opfer einer solchen "asiatischen Tat" zu werden.

 

An anderer Stelle wurde Noltes Affinität zum Nationalsozialismus noch deutlicher: "Wenn Vermehrung der soldatischen Naturen im Volk ein legitimes oberstes Ziel ist, dann muss man zugeben, dass die SS mir ihrer positiven Bevölkerungspolitik den einzigen ernsthaften Versuch darstellte, eine Entwicklung zu verhindern, die heute übermächtig erscheint."

 

Derartige Bemerkungen isolierten Nolte zwar weitgehend unter seriösen Historikern, ließen ihn aber in den Augen der Deutschland-Stiftung preiswürdig erscheinen. Nolte habe sich nicht nur um die Geschichtsphilosophie, sondern auch "um unser Vaterland besonders verdient gemacht" schreibt der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz vom Ehrenpräsidium der Stiftung. Mit dem Preis wollte die Stiftung das geschichtsphilosophische Werk Noltes würdigen, "mit dem er trotz aller wissenschaftlicher und persönlicher Anfeindungen und Verunglimpfungen das eingleisige Geschichtsdenken im zwanzigsten Jahrhundert überwand und damit nicht nur der deutschen Geschichtsforschung und Geschichtsdeutung eine neue Freiheit erkämpfte".

 

Während CDU-Chefin Merkel sich noch rechtzeitig von der Preisverleihung distanzierte, schicke Edmund Stoiber seinen Staatsminister Reinhold Bocklet. Dieser sah es nicht als seine Aufgabe an, "als Politiker den Historikerstreit fortzusetzen", sondern lobte lieber das "bahnbrechende" Werk Noltes. Der sozialdemokratische Münchener Oberbürgermeister ließ sich und seine rot-grüne Fraktion lieber durch den CSU-Stadtrat Hans Wolfwinkler vertreten, der gänzlich ohne Ironie verkündete, in Bayern würden Dissidenten und Andersdenkende von jeher geachtet.

Der CSU-Europaabgeordneten Bernd Posselt, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Präsident der deutschen Paneuropa-Union forderte in seinem Grußwort dazu auf, zu verhindern, dass die Ideologie Europas ein "auf dem linken Auge blinder Antifaschismus" würde. Schon heute würden von Italien bis Mecklenburg-Vorpommern Parteien in der Regierung sitzen, die von Kurt Schuhmacher noch als "rotlackierte Nazis" bezeichnet wurden.

 

Für heftige Kritik sorgte bereits im Vorfeld die Ankündigung, dass Horst Möller, Direktor des renommierten Instituts für Zeitgeschichte und Lehrstuhlinhaber an der Universität München, die Laudatio halten sollte. Möller verbindet mit Nolte nicht nur seine Vorliebe für die Totalitarismustheorie, sondern auch der gemeinsame Kampf gegen linke Studenten an der FU Berlin in den 70er Jahren als Nolte eine Professur an der Freien Universität in Berlin innehatte und Möller dort Assistent war.

1992 wurde Möller durch Helmut Kohl persönlich zum Nachfolger des verstorbenen Martin Broszat im Münchner Institut für Zeitgeschichte ernannt. Die geistig-moralische Wende nach rechts war perfekt. Scharfe Kritik an der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" bestimmten von nun an das Bild des Instituts. Schon der Titel "Der Rote Holocaust" von Möllers letzter Veröffentlichung lässt die Nähe zu Nolte ahnen.

 

In einer gemeinsamen Erklärung appellierten die Münchner Grünen, die PDS und führende Münchner Sozialdemokraten sowie der AstA der Uni München an Horst Möller, sich nicht zum Steigbügelhalter revisionistischer Geschichtsinterpretation zu machen und damit nicht nur das Institut für Zeitgeschichte, sondern auch die gesamte Geschichtswissenschaft zu belasten. Auch der nicht gerade als fortschrittlich bekannte Berliner Historiker Heinrich August Winkler hatte Möller erfolglos gebeten, von der Laudatio abzusehen.

 

Als "Privatperson" und nicht für eine Institution wolle er die Laudatio auf Nolte halten, verkündete Möller bei der Preisverleihung in der Münchner Residenz. Auch teile er nicht alle Thesen des Preisträgers, etwa den Versuch Noltes, die Intention von Hitlers Antisemitismus im Sinne historischen Verstehens nachzuvollziehen. In Schutz nahm Möller Nolte dagegen gegen den Vorwurf, einer Verharmlosung oder Relativierung des Nationalsozialismus. Wenn Möller dann von "Wesensähnlichkeiten zwischen Lenin, Stalin und Hitler" fabuliert, beweist er damit vor allem seine Wesensähnlichkeit zu Nolte. "Ernst Nolte ist der einzige Geschichtsphilosoph unter den deutschen Historikern und der einzige Historiker unter den deutschen Geschichtsphilosophen", so Möllers Fazit.

 

In seiner Dankesrede sinniert der "Geschichtsphilosoph" vor allem darüber, "ob nicht auch Hitlers Antisemitismus einen wahren Kern besaß". Schließlich hätte sich das Judentum "für große Sachen und weitgespannte Zielsetzungen engagiert", bedient Nolte das antisemitische Klischee von der jüdischen Weltverschwörung. Den Kampf der Seele gegen den Geist, gegen die "Intellektualisierung als Grundzug der Geschichte" und gegen den Singularitätsanspruch des genuinen Judentums" sieht Nolte als "rationalen, nachvollziehbaren Kern" des faschistischen Antisemitismus.

Die heutige Geschichtsdeutung wird in Noltes Augen durch ein "negativ-germanozentrisches Paradigma" bestimmt, das sich seit 1968 mit einem "jüdischen Paradigma" verschmolzen habe und über die Wehrmachtsausstellung zur Losung "Deutschland verrecke!" führe. Es drohe am Ende des 21. Jahrhunderts die Einigung der Menschheit unter einer "Quasi-Religion", "in welcher der deutsche Nationalsozialismus den Teufel und sie selbst den Gott oder den Götterhimmel spielt" verkündet der Adenauerpreisträger Nolte seine dunkelsten Alpträume.

 

Geprägt vom Gedankengut ihres 89jährigen Ehrenpräsidenten Kurt Ziesel, der laut Gerichtsurteil "notorischer Nationalsozialist" genannt werden darf, ist die im bayerischen Prien am Chiemsee beheimatete Deutschland-Stiftung ein wichtiges Bindeglied zwischen dem rechten Rand der CDU/CSU und offenen Faschisten. Wie zu Zeiten des Kalten Krieges hetzt das Deutschland-Magazin der Stiftung, in dem sich auch gerne Austauschanzeigen mit rechtsextremen Blättern wie Criticon befinden, gegen die Gefahr des Kommunismus und Multikulturalismus.

Neben Axel Springer, Alfred Dregger, Wolfgang Schäuble und Helmut Kohl hatte auch der ehemalige Leiter der Siemens Stiftung und Privatsekretär von Ernst Jünger, Armin Mohler, den Preis verliehen bekommen. Auf die Frage "Sind sie Faschist" hatte Mohler unmissverständlich mit "Ja" geantwortet!

 

Nick Brauns, München